Verhinderungspflege: Temporäre Entlastung für pflegende Angehörige

Ausschnitt: Erfahren Sie, wie die Verhinderungspflege pflegende Angehörige entlasten kann, wenn sie zeitweise nicht für ihre betreuten Personen sorgen können. Lesen Sie außerdem, was die Verhinderungspflege bedeutet, wie sie funktioniert und welche Leistungen zur Verfügung stehen.

Verhinderungspflege einfach erklärt

In Deutschland gibt es eine alternde Bevölkerung und damit einhergehend auch immer mehr pflegebedürftige Menschen. Wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird, übernehmen oft die Angehörigen die Pflege des Familienmitglieds. Das kann oft sehr zeitintensiv und anstrengend sein, und die Angehörigen müssen oft ihre eigene Arbeit oder ihre eigenen Freizeitaktivitäten deswegen einschränken. Die Pflege von Angehörigen kann dabei für die Pflegenden zu einer großen Herausforderung werden, die nicht selten zu körperlicher und seelischer Erschöpfung führt. Selbstverständlich ist die Versorgung oft nur begrenzt möglich, da auch pflegende Personen selbst krank werden können, eigene Erledigungen und Verpflichtungen haben oder einfach nur den Anspruch auf Urlaub nehmen möchten, um wieder ausgeruht und effizient die Unterstützung der betreuten Personen gewährleisten zu können.

Aus diesem Grund wurde 1995 in Deutschland die Verhinderungspflege eingeführt, um pflegende Angehörige zu entlasten, indem sie zeitweise den Anspruch einer Freistellung in Anspruch nehmen können. Somit wird dann sichergestellt, dass die pflegebedürftige Person in dieser Zeit gut und optimal versorgt wird. Die Freistellung wird durch die Pflegeversicherung unterstützt, indem sie hierfür finanzielle Mittel für eine Ersatzpflege bereitstellt, dessen Kontingent jährlich und pro Fall begrenzt verfügbar ist. Die Verhinderungspflege wurde seither weiterentwickelt und ausgebaut, um den Bedürfnissen pflegender Angehöriger besser gerecht zu werden. Zuletzt wurden im Jahr 2017 die Leistungen für die Verhinderungspflege erweitert und die Höchstbeträge angehoben, um hierbei pflegende Angehörige noch besser unterstützen zu können.

Definition der Verhinderungspflege, Anspruch und Vorrausetzungen

Die Bedingungen

Die Pflege muss aufgrund der Abwesenheit der regulären Pflegeperson ersatzweise durch eine Person oder einen ambulanten Pflegedienst erfolgen, der die Ersatzpflege für eine bestimmte Zeit übernimmt, um dabei vertretend die optimale Versorgung sicherzustellen. So weit ist die Definition klar. Selbstverständlich ist die Verhinderungspflege, die umgangssprachlich auch als Ersatzpflege bekannt ist, an Bedingungen geknüpft, die wir im Folgenden näher verdeutlichen möchten:

  1. Die zu pflegende Person wird ausschließlich zu Hause betreut. Man spricht hierbei von der häuslichen Pflege nach § 39 SGB XI.
  2. Es muss mindestens der Pflegegrad 2 oder höher vorliegen. Der Pflegegrad 1 wird hierbei ausgegliedert und erhält keine Ersatzpflegeleistungen.
  3. Die zu pflegende Person muss bereits mindestens 6 Monate zuvor, und dabei mindestens 10 Stunden pro Woche von einem Angehörigen oder einer privaten Person gepflegt worden sein, bevor ein Anspruch auf Ersatzpflege geltend gemacht werden kann. Die benannte Pflegeperson wurde im genannten Zeitraum nicht durch eine andere Person vertreten. Der Beginn der Pflegezeit wird hierbei mit dem Zeitpunkt des genehmigten Pflegegrades gleichgesetzt. Die Definition der minimalen Vorrausetzung besagt, dass die Pflegeperson mindestens 14 Tage pro Kalenderjahr einen Pflegedienst geleistet haben muss.
  4. Wird die benötigte Ersatzpflege unter dem genannten Zeitraum von 6 Monaten benötigt, kann stattdessen eine Kurzzeitpflege beantragt und in Anspruch genommen werden. Lesen Sie hierzu mehr unter unserem Abschnitt Kurzzeitpflege
  5. Die Verhinderungspflege selbst kann anders als bei der grundlegend zuständigen Pflegeperson, auch von mehreren Personen verrichtet und abgedeckt werden. Hierzu gehören folgende Personen: Angehörige, Verwandte oder Freunde, sowie ambulante Pflegedienste.
  6. Bei der zur pflegenden Person handelt es sich nicht um einen Patienten, bei der eine dauerhafte stationäre Unterbringung notwendig ist. In dem Fall verfällt der Anspruch auf die nach 39 SGB XI festgelegte Definition einer häuslichen Pflege.

Wie beantragen Sie Pflegegeldansprüche?

Die Verhinderungspflege muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Es muss ein anerkannter Pflegegrad vorliegen (mindestens Stufe 2), und die Pflegekasse muss dem Antrag zustimmen. Es ist wichtig, den Antrag rechtzeitig zu stellen, da die Verhinderungspflege in der Regel nicht rückwirkend bewilligt werden kann. Der Antrag auf Verhinderungspflege muss bei der jeweils zuständigen Pflegekasse gestellt werden. Wie Sie Ihre zuständige Pflegekasse finden, erklären wir Ihnen im Abschnitt FAQ zu diesem Bericht.

Höhe der Erstattungen zum Verhinderungspflegegeld

Grundlegend beträgt der vollständige Anspruch auf Verhinderungspflege maximal 1612,00 € jährlich. Hierbei wird dann maximal eine zeitliche Ersatzpflege von 6 Wochen oder 42 Tagen zu Grunde gelegt. Diese kann dann jedes Jahr wiederholt in Anspruch genommen werden. Die Verhinderungspflege muss hierbei NICHT an einem Stück in Anspruch genommen werden und kann sogar alternativ stundenweise erfolgen (stundenweise Verhinderungspflege). Der Satz wird dann hier entsprechend aufgeteilt und vom jährlich verfügbaren Kontingent abgezogen.

Wird die Ersatzpflege von einer direkt verwandten Person ausgeführt (bis hin zum 2. Verwandtschaftsgrad), wird das Verhinderungspflegegeld hierbei nicht in voller Höhe beansprucht und auf den 1,5-fachen Satz des monatlich ausbezahlten Pflegegeldsatzes beschränkt (abhängig vom zugeteilten Pflegegrad). Als Ausgleich hierzu können jedoch zusätzlich an dieser Stelle, Verdienstausfälle oder anfallende Fahrtkosten seitens des Verwandten geltend gemacht werden, jedoch nur bis zum maximalen Satz des Verhinderungspflegegeldes in Höhe von 1612,00 €.

Entsteht eine gemischte Betreuung, beispielsweise durch Verwandte und Nichtverwandte Personen, kann das restliche verfügbare Kontingent (abzgl. des 1,5-fachen Satzes) des nutzbaren Verhinderungspflegegeldsatzes, für die Betreuung durch die Nichtverwandte Person in Anspruch genommen werden (je nach erfolgter Ersatzpflege und dem geleisteten Zeitaufwand). Auch hier kann nur maximal das verfügbare Kontingent von 1612,00 € beansprucht werden.

Beispielrechnung (bei vollem jährlichem Satz):

Im aufgeführten Beispiel wäre also ein Kontingent in Höhe von 794,50 € verfügbar, um die zusätzliche Hilfsleistung einer weiteren, Nichtverwandten Person zu finanzieren. Gerechnet auf den aktuellen Mindestlohn von 12,00 € Brutto (seit Oktober 2022), entspräche dies einer Leistung von ca. 66 Stunden, die man in Anspruch nehmen könnte. Der Stundensatz in unserer Beispielrechnung ist hierbei nicht festgelegt, und kann selbst ausgehandelt und definiert werden. Wir empfehlen jedoch sich an die gängigen Maßstäbe zu halten.

Hinweis:

Sofern noch keine Kurzzeitpflege für das laufende Kalenderjahr in Anspruch genommen wurde, können während dem Antritt der Verhinderungspflege, 50 % der Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden. Dies entspricht dann 2418,00 €.

Übersicht der Auszahlungen zu jedem Pflegegrad (Stand 04/2023)

Pflegegrad
Auszahlungen
Pflegegrad 1
125 Euro monatlich (bei häuslicher Pflege), 0 Euro (bei vollstationärer Pflege). Kein Anspruch auf Verhinderungspflege!
Pflegegrad 2
316 Euro monatlich (bei häuslicher Pflege), 770 Euro (bei vollstationärer Pflege).
Pflegegrad 3
545 Euro monatlich (bei häuslicher Pflege), 1.262 Euro (bei vollstationärer Pflege).
Pflegegrad 4
728 Euro monatlich (bei häuslicher Pflege), 1.775 Euro (bei vollstationärer Pflege).
Pflegegrad 5
901 Euro monatlich (bei häuslicher Pflege), 2.005 Euro (bei vollstationärer Pflege)

Der genaue Betrag, der ausgezahlt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Pflegegrad, dem Umfang der Pflege, der Art der Pflege (häusliche oder stationäre Pflege) und dem Alter des Pflegebedürftigen.

Hinweis: Seit 2017 gibt es keine Pflegestufen mehr!

Die drei Pflegestufen wurden im Januar 2017 durch fünf Pflegegrade ersetzt. Viele Menschen suchen immer noch nach Informationen zu Pflegestufen, weil sich der neue Begriff im Sprachgebrauch noch nicht etabliert hat.

Stundenweise Verhinderungspflege

Wir behandeln das Thema an dieser Stelle nochmal gesondert, um eine Verwechslung vorzubeugen. Die stundenweise Verhinderungspflege scheint in Ihrer Definition namentlich identisch zu wirken, liegt aber einem anderen Abrechnungsmodus zu Grunde.

Bei dieser Art der Ersatzpflege, bezieht sich die Abwesenheit der pflegenden Person auf unter 8 Stunden und bei Beanspruchung wird das reguläre monatliche Pflegegeld hierbei NICHT gekürzt (100%) und auch nicht auf die reguläre Verhinderungspflege angerechnet. Die Leistung lässt sich aber trotzdem nicht unendlich nutzen und greift hierbei auf das gleiche Kontingent zu, das ebenfalls mit 1612,00 € begrenzt wird.

Hierbei ist es zu vermeiden das gerade bei dicht aufeinanderfolgenden Tagen ersichtlich ist, das es sich nicht um Erholungsurlaub handelt und die Begründung, anders als bei der Verhinderungspflege, klar erklärt und definiert wird. Bei falschem Verständnis werden ansonsten ganze Tage berechnet und nicht nur die abwesenden Stunden des Pflegenden, da grundlegend die Abwesenheit des Pflegenden als Maßstab entscheidend ist und nicht die Anwesenheit der Ersatzpflege. Diese Variante tritt meistens bei Überschneidungen der Arbeitszeiten ein oder eben bei Terminen, die regelmäßig wahrgenommen werden müssen. Im Regelfall handelt es sich hierbei dann auch nicht um Erholungsurlaub des Pflegenden, bei dem es dann auch gilt die Verwechslung zu vermeiden. Erholungsstunden können jedoch auch als Option in Frage kommen, sofern sie nicht dicht aufeinanderfolgen.

FAQ

Nein, es muss keine Begründung erfolgen. Der Anspruch besteht grundlegend und ist nur von den zuvor genannten Voraussetzungen und Bedingungen abhängig.

Nein, die vertretende Person muss keine gelernte Pflegekraft sein. Wir empfehlen jedoch, dass Sie Ihre Vertretung ausreichend einweisen und im Vorfeld bereits, auch im Interesse der zur pflegenden Person, eine Kennenlernrunde einleiten, damit der Patient sich auch mit dem Umstand der Ersatzpflege vertraut machen kann und sich wohler fühlt.

Die Inanspruchnahme einer Ersatzpflege wird seitens der Pflegeversicherung mit maximal 42 Tagen (6 Wochen) jährlich gefördert und muss über dem Zeitraum hinaus dann selbst finanziert werden.  Der Anspruch selbst kann auf mehrere Tage und Wochen verteilt werden und muss nicht auf einmal, im vollen Umfang ausgeschöpft werden. Anträge hierzu sind dann einzeln einzureichen oder müssen ersichtlich aufgegliedert werden, um Fehlberechnungen   zu vermeiden.

Nein, In einem wiederholten Fall der Verhinderungspflege ist die Vorauspflege von 6 Monaten nicht mehr relevant. Die Voraussetzung einer Vorauspflege besteht nur beim Eintreten einer notwendigen Pflege, im ersten Jahr der Inanspruchnahme.

Ja das ist möglich, auch wenn es sich im eigentlichen Sinne dann hier nicht mehr um eine häusliche und ambulante Pflege nach § 39 SGB XI handelt, wird im genannten Fall nur eine zeitweise Ersatzunterbringung beansprucht. Der zu pflegende Angehörige kann sogar von einer zeitweiligen Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung profitieren, da er dort neue Kontakte knüpfen und sich anderweitig beschäftigen kann. Im genannten Fall muss es sich jedoch um eine anerkannte Pflegeeinrichtung handeln.

Eine Möglichkeit ist, auf der Website des GKV-Spitzenverbands unter dem Menüpunkt „Pflegeversicherung“ die Pflegekassen-Suche zu nutzen. Dort können Sie Ihre Postleitzahl eingeben und erhalten eine Liste mit den zuständigen Pflegekassen in Ihrer Region.

Link: https://www.gkv-spitzenverband.de/

Eine andere Möglichkeit ist bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse nachzufragen, welche Pflegekasse für Sie zuständig ist.

Der Antrag kann in der Regel schriftlich oder online gestellt werden.

Ja, im genannten Fall beantragen Sie dann eine stundenweise Verhinderungspflege, da die Ersatzpflege nur stundenweise erfolgen soll. Im Antrag ist sicherzustellen, dass Sie nicht voll abwesend sind, sondern nur bestimmte Stunden. Gleichbleibend ist dann hierbei das Kontingent von 1612,00 €, das allerdings irgendwann erschöpft ist. Ab diesem Zeitpunkt tragen Sie dann alle weiteren anfallenden Kosten selbst. Das reguläre Pflegegeld wird hierbei nicht gekürzt und kann bei der finanziellen Planung mit einbezogen werden. Die Variante wird oft von berufstätigen Familienmitgliedern gewählt, die eine hybride Pflegevariante bzw. Kombination beanspruchen müssen.

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Franziska Sauter

Gründerin von CARE-by-SAUTER

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Ich bin examinierte Krankenschwester und habe über mehrere Jahre hinweg die Pflegedienstleitung in bedeutenden Reha-Klinken geleitet. Mein oberstes Ziel ist es, den Patienten in schweren Situationen zu helfen und Ihr Leben fröhlicher zu gestalten.

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